Wie wirkt tiergestützte Therapie?
Oft wird bereits die reine Anwesenheit eines Hundes von den Patient:innen als positiv und bereichernd erlebt. Der Hund bedingt eine Steigerung des Wohlbefindens, kann die Lebensfreude erhöhen und besonders übers Berühren und Streicheln stressreduzierend und entspannend wirken. Seine Anwesenheit kann sich positiv auf Angst und Unsicherheit der Kinder und Jugendlichen auswirken und ein Gefühl von Sicherheit geben. So bedingt er automatisch eine ruhige und entspannte Atmosphäre, was eine gute Basis für den weiteren Therapieprozess darstellt. Er kann von Krankheiten und Schmerzen ablenken, in Trauer Trost spenden und bei Ungewissheit und Angst sicherheitsvermittelnd wirken. Der Hund ist einfach da. Er nimmt die Kinder und Jugendlichen so an, wie sie sind, unabhängig von ihren Problemen und Belastungen. Oft leiden jüngere Patient:innen aufgrund ihrer Symptomatik unter einem geringen Selbstwert. Die Interaktion mit dem Hund kann ihnen ihre Stärken und Ressourcen aufzeigen und diese stärken. Durch gemeinsame Spiele oder das Üben von Kommandos erfahren sie neben Spaß und Freude ebenfalls ein Selbstwirksamkeitserleben, was in der Folge das Selbstbewusstsein erhöhen kann.
Hunde haben die besondere Fähigkeit, menschliche Stimmungen aufzugreifen und diese im eigenen Verhalten widerzuspiegeln. Sie achten sehr genau auf Mimik, Gestik und den Ton der Stimme. So erkennen sie sehr schnell den allgemeinen Erregungszustand ihres Gegenübers. Hier hilft ihnen ebenfalls ihre gute Nase, mit der sie über den Geruchssinn ebenfalls die Stimmungen und Emotionen wahrnehmen können. Auf diese außergewöhnliche Sensibilität kann im therapeutischen Setting zurückgegriffen werden, um die daraus resultierenden positiven Wirkungen für den therapeutischen Prozess nutzbar zu machen. Hunde urteilen nicht über das Verhalten des Menschen und spiegeln dessen Verhalten direkt zurück (z.B. Beschwichtigen oder Distanzieren, wenn das Gegenüber sehr impulsiv und grenzüberschreitend ist). So bildet der Hund einen idealen Kommunikationshelfer ab. Als soziale Lebewesen werden Hunden zudem ähnliche psychische Grundbedürfnisse wie Menschen zugeschrieben. Über das Beobachten des Hundes und das Erahnen seiner Erlebenswelt schaffen es Patient:innen oft besser, ihre eigenen Emotionen und Bedürfnisse wahrzunehmen und zu äußern. Vereinfacht wird dies dadurch, dass Hunde sich im Vergleich zu Menschen nicht verstellen. Oft können Patient:innen bei ihnen leichter die momentane Stimmung erkennen, entschlüsseln und interpretieren und entsprechend darauf reagieren.
In der Therapie hat der Hund ebenfalls zu Anfang oft die Funktion des „Eisbrechers“. Da viele junge Patient:innen oft nicht aus eigener Motivation in die Therapie kommen, erleichtert die Anwesenheit des Hundes es den Kindern, sich auf die Therapie einzulassen. Dies führt in der Folge zu deutlich mehr Therapiemotivation und Kooperation. Er unterstützt bei dem Aufbau einer therapeutischen Beziehung und schafft durch Rituale wie Begrüßung und Abschied eine entsprechende Struktur und Sicherheit in der Therapie.
Wobei kann tiergestützte Therapie helfen?
In der tiergestützten Therapie werden die Kinder und Jugendlichen in ihrer psychosozialen Entwicklung gefördert. So werden u.a. soziale Kompetenzen gefördert, der Selbstwert gesteigert, funktionale Copingstrategien erlernt sowie das allgemeine emotionale Wohlbefinden unterstützt. Da es sich um ein relativ neues Gebiet der therapeutischen Intervention handelt, gibt es bislang nur wenige wissenschaftliche Evaluationen zu den Effekten tiergestützter Therapie. Die bisherigen Untersuchungen weisen positive Auswirkungen bspw. bei Traumafolgestörungen, depressiven Störungen, Ängsten, Verhaltensproblemen sowie Autismus-Spektrum-Störungen auf. Der wahrscheinlich größte Effekt wird der Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstwirksamkeitserfahrungen zugeschrieben.
Hedinger, K. & Zink, R. (2019). Pferdegestützte Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen. In: Verhaltenstherapie mit Kindern& Jugendlichen. DGVT Verlag.
Hornung, P. (2019). „Jedes Mal, wenn die Hunde auf Station sind, ist gefühlt der Rest der Welt egal“. Praxiserfahrung aus dem Einsatz eines Therapiebegleithundes auf einer Akutaufnahmestation der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Scheidig, L. (2019). Der Hund als Kommunikationshelfer: Tiergestützte Interventionen bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen. In: Verhaltenstherapie mit Kindern& Jugendlichen. DGVT Verlag.
Wesenberg, S. & Nestmann, F. (2019). Tiergestützte Interventionen in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und -psychiatrie. In: Verhaltenstherapie mit Kindern& Jugendlichen. DGVT Verlag.
Wesenberg, S. & Nestmann, F. (2021). Persönliche Mensch-Tier-Beziehungen in der Covid-19-Pandemie – Bio-Psycho-Sozial oder doch Sozio-Psycho-Biologisch?. In: Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis. DGVT Verlag.